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BGH, Urt. v. 30.11.2004 - VI ZR 335/03 und VI ZR 365/03 -
           

 


Haftung von Kindern im Straßenverkehr

Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat in zwei Fällen die Berufungsurteile der Landgerichte bestätigt, die eine Haftung von Minderjährigen bei Beschädigung parkender Fahrzeuge angenommen haben. In dem einen Fall war der damals 9 Jahre alte Beklagte bei einem Wettrennen mit seinem Kickboard gegen einen ordnungsgemäß am rechten Straßenrand geparkten PKW geprallt. In dem anderen Fall fuhren die damals neunjährige Beklagte und ihre Spielkameraden mit Fahrrädern auf einem Parkplatz zwischen parkenden Fahrzeugen hindurch. Dabei verlor die Beklagte das Gleichgewicht, kippte mit ihrem Fahrrad um und stieß gegen den dort geparkten PKW des Klägers. 

Durch das zweite Gesetz zur Änderung schadensrechtlicher Vorschriften vom 19. Juli 2002 (BGBl. I S. 2674) hat der Gesetzgeber für schädigende Ereignisse, die nach dem 31. Juli 2002 eingetreten sind, die Verantwortlichkeit Minderjähriger neu geregelt. Nach dieser Neuregelung ist ein Minderjähriger, der das siebente, aber nicht das zehnte Lebensjahr vollendet hat, für den Schaden, den er bei einem Unfall mit einem Kraftfahrzeug, einer Schienenbahn oder einer Schwebebahn einem anderen fahrlässig zufügt, nicht verantwortlich (§ 828 Abs. 2 Satz 1 BGB). 

Seit Inkrafttreten dieser Vorschrift wird kontrovers erörtert, ob sich diese ohne Ausnahme auf sämtliche Unfälle bezieht, an denen ein Kraftfahrzeug beteiligt ist, und ob demgemäß auch bei der fahrlässigen Beschädigung eines parkenden Fahrzeugs eine Verantwortlichkeit von Kindern dieser Altersgruppe ausgeschlossen ist. Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat nunmehr entschieden, daß nach dem Zweck des § 828 Abs. 2 Satz 1 BGB ein neunjähriges Kind für die Beschädigung eines parkenden Fahrzeugs verantwortlich sein kann. 

 Mit der Einführung dieser Ausnahmeregelung hat der Gesetzgeber dem Umstand Rechnung getragen, daß Kinder regelmäßig frühestens ab Vollendung des 10. Lebensjahres im Stande sind, die besonderen Gefahren des motorisierten Straßenverkehrs zu erkennen und sich den Gefahren entsprechend zu verhalten. Die Heraufsetzung des deliktsfähigen Alters ist auf Schadensereignisse im motorisierten Straßen- oder Bahnverkehr begrenzt. Hierbei kommen nämlich die altersbedingten Defizite eines Kindes, wie z.B. Entfernungen und Geschwindigkeiten nicht richtig einschätzen zu können, regelmäßig zum Tragen, weil sich Kinder im motorisierten Verkehr unter anderem durch die Schnelligkeit, die Komplexität und die Unübersichtlichkeit der Abläufe in einer besonderen Überforderungssituation befinden. Diese Überforderungssituation ist Grund für das gesetzliche Haftungsprivileg des § 828 Abs. 2 BGB. Eine solche Überforderungssituation war in den beiden entschiedenen Fällen nicht gegeben, weil sich nach den tatsächlichen Feststellungen der Berufungsgerichte die spezifischen Gefahren des motorisierten Verkehrs nicht ausgewirkt haben.

BGH - Urt. v. 30.11.2004 - VI ZR 335/03 und VI ZR 365/03 -

Karlsruhe, den 30. November 2004

Pressestelle des BGH

 











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